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2015

Kurzgeschi cht e

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auch wieder nicht gehen. Obwohl, wenn ich mir anschaue, dass

auch seine Frau mit ihrer Mutter und die drei Kinder beimAus-

flug mit waren, kann ich die, die den Herbert einen Schnorrer

nennen, schon ein bisserl verstehen.

So, jetzt muss ich noch etwas nachtragen. Aber das geht auch

kurz, weil das kennst ja eh: Ausgerechnet die, die eh nie da

sind, kritisieren die, die etwas tun immer, am meisten. So einer

ist auch der Herbert. Dem ist auch nie etwas recht, weil selber

könnte er ja alles viel besser, wenn er nur ein bisserl mehr Zeit

hätte ...

Beim Ausflug nach Kopfing war´s auch so. Bäume zu

hoch, Wetter zu schlecht, Aussicht lächerlich, Bier zu warm,

Schweinsbraten zu wenig knusprig, Kaffee nur eine Brühe,

Kellnerin langsam und unsympathisch. Das einzige was ge-

passt hat war, dass der Herbert nichts zu bezahlen brauchte.

Auch der Kolonne zur gemeinsamen Heimfahrt wollte sich

der Herbert nicht mehr anschließen. Weil schon bei der Anreise

nach Kopfing hat ihm das Navi eine ganz andere Route emp-

fohlen, wie die, die der Franz als Vorausfahrzeug genommen

hat. Aber eh klar. Franz kein Navi, immer noch altmodischer

Straßenkartenleser. Aber der Herbert, der hat schon TomTom

oder Garmini oder was weiß ich für ein Zeugs im Auto. Auf

alle Fälle: die Satelliten wissen es besser. Ganz kurz noch und

ganz ehrlich: Dass sich der Herbert nicht mehr der Gruppe an-

geschlossen hat, gestört hat das niemanden. Um es einmal di-

plomatisch auszudrücken.

Wohin die Pfitschigogler auch fahren und was immer sie dort

auch gemacht haben. Dass sie vor der endgültigen Heimkehr

ins Mondseeland noch beim Troadkast´n in Oberhofen zukeh-

ren, hat einfach Tradition und braucht nicht genauer abgespro-

chen zu werden.

Das war auch diesmal so. Als alle um den großen Stammtisch

saßen, fehlten nur der Herbert und seine Passagiere. Eigentlich

müssten die längst da sein. Weil, eh wissen: Kürzeste Route,

schnellste Strecke, bestes Navi.

Auch nach einer halben Stunde war Herbert noch nicht da

und da konnte es sich der, vor wenigen Stunden von Herbert

noch so kritisierte, Obmann Franz nicht verkneifen. Er griff

zum Handy und rief Herbert an. Der war noch auf dem Rück-

weg und erst im Kobernaußerwald. Dass alle anderen längst

die erste Halbe getrunken und schon bei einer Runde Schnaps

saßen, obwohl sie kein Navi auf dem schnellsten Weg heimge-

lotst hatte, trieb dem Herbert den Zorn ins Gesicht.

Was dann im Kobernaußerwald passierte, erfuhren die Ver-

einsmitglieder erst ein paar Tage später und dann auch nur

durch Zufall, weil halt alte Sprichworte doch stimmen und

„Kindermund wirklich Wahrheit kund tut.“

Wer die Straße durch den Kobernaußerwald kennt, der kennt

auch die lange Gerade vor Höcken. Kilometer weit nichts außer

gerade Straße. Aber halt doch nur ein Hunderter erlaubt. Und

immer wieder Polizisten im Gebüsch. Gibt ja genug Sträucher

in einem Wald. Natürlich hat das alles auch der Herbert ge-

wusst. Aber wennst zornig bist, vergisst vieles. Und so ist es

dem Herbert ergangen. 162 hat auf der Laserpistole des Polizis-

ten aufgeleuchtet. Der ist trotzdem noch freundlich geblieben,

als er den Herbert endlich zum Stehen gebracht hat.

„Eigentlich“, hat der Polizist nach Aussage des Kindermun-

des zum Herbert gesagt, „müsste ich mit Ihnen gar nicht mehr

reden. Es würde genügen, Ihnen an Ort und Stelle den Führer-

schein abzunehmen.“

Aber der Polizist hatte Erbarmen und wollte anstatt des Füh-

rerscheins 200 Euro. So viel Geld hatte jetzt der Herbert aber

gar nicht mit. Also musste er Schwiegermutter, Frau und Kin-

der als Pfand an Ort und Stelle lassen und sich aus dem Banko-

mat in Schneegattern die notwendigen Scheine ziehen.

Dass Herbert und seine Familie diesen Ausflug nicht mehr

mit einer Einkehr zwecks geselligem Beisammenseins im

Troadkast´n abgeschlossen haben, versteht sich eigentlich von

selbst.

Für Herbert war die Sache auch nach dem Bezahlen der 200

Euro noch lange nicht ausgestanden. Er hatte damit zwar den

Polizisten vom Hals, hatte sich aber den unangenehmsten aller

Feinde geschaffen: die Ehefrau. Die war nach diesem Vorfall

wochenlang gar nicht gut auf ihren Gatten zu sprechen. Denn

genau an dem Wochenende des Vereinsausflugs hatte ein Dis-

konter eine zweitägige Flugreise nach Lissabon um 198 Euro

für zwei Personen im Angebot.

Als Frau Herbert ihren Mann zu dieser All-inklusiv-Reise

überreden wollte, zeigte der ihr die kalte Schulter: „Ich reiß´

mir das ganze Jahr über für den Verein den Arsch auf und be-

komme nicht mehr als einen feuchten Händedruck. Da fahren

wir alle beim Vereinsausflug mit. Da haben wir auch ein schö-

nes Wochenende und kosten tut´s uns auch nix.“

Bist auch schon neugierig, ob Herbert nächstes Jahr beim

Ausflug wieder dabei ist? Weil vorher sehen ihn die Pfitschigo-

gler garantiert nicht mehr.

So, und das sollst zum Abschluss jetzt auch noch wissen.

Schon ein paar Tage später hat die Frau vom Herbert in einem

Reisebüro für sich und ihre Freundin ein Luxus-Wochenende

in Lissabon gebucht. Zum regulären Preis von 398 Euro pro

Person.

nsausflug