

Das ungewöhnliche Interview
April 2015
Seite 26
Der uns die
Eier
bringt
I
n den kommenden Tagen möchte wohl niemand
mit ihm tauschen. Weil da hat der Osterhase den
stressigsten Job der Welt. Umso schöner, dass der
Osterhase trotz dieser Hektik Zeit für ein Interview
mit dem „DOPPELPUNKT-Reporter“ gefunden hat.
Wie viele Eier müssen Sie in den nächsten Tagen verteilen?
Osterhase:
Es ist unglaublich, aber bis Ostern muss ich in Österreich
50 Millionen bunte Eier verteilen. Da wird es vor allem in den letz-
ten Tagen vor dem Osterfest ganz schön stressig. Weil bis zum Oster-
sonntag wollen alle ihre Ostereier haben. Dann wird es aber schlag-
artig wieder ruhiger.
Sie müssen die Eier auch verstecken?
Osterhase:
Natürlich. Gerade das
ist ja die meiste Arbeit. Wenn wir
schönes Wetter haben, dann ist es
ja relativ einfach, weil dann kann
ich die Eier im Freien verstecken.
Aber wenn es regnet und ich muss
in die Wohnungen, dann ist das
wesentlich mehr Arbeit.
Sie haben auch Helfer?
Osterhase:
Ohne meine vielen
kleinen Helfershasen würde das
schon längst nicht mehr funkti-
onieren. Die Leute werden näm-
lich immer ungeduldiger und
wenn nicht pünktlich am Morgen
des Ostersonntags die Geschenke
da sind, packt viele Leute die Pa-
nik. Dabei kommen wir garantiert
überall hin. Aber natürlich brin-
gen wir zuerst den Kindern ih-
re Geschenke.
Erwachsene bekommen
auch etwas?
Osterhase:
Naja, Kleinigkei-
ten halt, Eier und etwas zum
Naschen. Das muss für die Er-
wachsenen reichen ...
Und was bekommen die Kin-
der noch neben den bunten Ei-
ern...?
Osterhase:
Das Fahrrad ist nach
wie vor ein Dauerbrenner. Vor al-
lem wenn es das erste Fahrrad ist,
dann wird das meistens von mir
gebracht. Wobei: Ich per-
sönlich habe mit den Rä-
dern eh nicht so eine
Freude, weil die rela-
tiv schwer zu verste-
cken sind.
Apropos verste-
cken. Finden Sie
manchmal
ver-
steckte Geschenke
aus dem Vorjahr, die nicht gefunden wurden?
Osterhase:
Das kommt auch vor, aber nicht all zu oft. Aber solan-
ge ich diese Sachen finde, geht´s ja noch. Stellen Sie sich vor, Kin-
der würden diese alten Eier finden. Kein Mensch würde mir glauben,
dass die Eier im Vorjahr übersehen wurden. Sondern es würden alle
sagen: Jetzt bringt der Osterhase auch schon alte Eier. Mein Ruf wä-
re dahin ...
Dabei legen Sie so großen Wert auf Qualität.
Osterhase:
Ganz richtig. Zwei Drittel der von mir verteilten Eier
kommen aus Österreich. Von den Hennen, die mich beliefern, ken-
ne ich viele persönlich. Wir arbeiten gewissermaßen schon seit Jah-
ren zusammen. Das schafft Vertrauen.
Und Sie bemalen noch jedes Ei selbst?
Osterhase:
Nein, das wird immer weniger. Es
gibt inzwischen einige Fabriken in denen die
Eier für mich bemalt werden. Die machen das
schon so schön, dass diese Eier kaummehr von
meinen Eiern zu unterscheiden sind. Also auf
dem Eierfärbesektor hat sich in den vergange-
nen Jahren schon viel getan. Das ist eine echte
Erleichterung geworden.
Aber Sie haben ja dann das ganze restliche
Jahr um sich wieder zu erholen.
Osterhase:
Das ist jetzt auch nicht mehr so
wie früher. Die bürokratischen Hürden wer-
den auch im Osterhasengeschäft immer mehr.
Wenn ich mir alleine die EU-Vorlagen an-
schaue. Die nehmen überhand. So muss ich
beispielsweise heuer zum ersten Mal die ge-
naue Anzahl der beim Transport gebrochenen
Eier nach Brüssel melden. Das war bisher noch
nie der Fall.
Wie sind Sie als Osterhase eigentlich zum Ei
gekommen?
Osterhase:
Ich sag´s ganz ehrlich: Ich weiß es
nicht. Es gibt verschiedene Vermutungen wie
Ostern zum Ei gekommen ist, der Ursprung
der christlichen Eiersitte ist aber nicht bekannt.
Ich zitiere bei dieser Frage auch oft das Hand-
wörterbuch des deutschen Aberglaubens. Die-
ses führt das Ei zu Ostern auf die seit dem 12.
Jahrhundert von der Kirche eingeführte „bene-
dictio ovorum“ zurück, die diesen so gesegne-
ten Eiern im Volksglauben vielerlei Kräfte zu-
wachsen ließ. Erste Erwähnungen von gefärb-
ten Ostereiern in Deutschland stammen aus
dem 16. Jahrhundert.
Eine letzte Frage: Was wünschen Sie sich
zu Ostern?
Osterhase:
Schönes, warmes Wetter. Weil da
sind die Menschen gut drauf und niemand ver-
wechselt mich mit dem Christkind, wie es mir
schon einmal ergangen ist, als ich vor ein paar
Jahren bei einem Schneesturm meine Eier aus-
tragen musste ...
Interview: Rupert Lenzenweger
Interview mit dem Osterhasen