

Menschen aus dem Flachgau
Seite 15
Mai 2015
W
enn im Theater
Holzhausen der
Pausenvorhang fällt
und die Scheinwerfer
finster werden, dann
haben Christa Traintin-
ger und Berta Hochradl
ihren großen Auftritt.
Den Text dafür können
die zwei älteren Damen
seit mehr als 40 Jahren
fehlerfrei: „Wurstsalat,
Würstel oder vielleicht
eine Torte?“
Christa und Berta gehören
zum Theater wie der Vorhang
vor die Bühne, die Bretter, die
die Welt bedeuten, als Boden
oder das Lampenfieber der
Schauspieler vor einer Premie-
re. Andererseits ist das Theater
für Christa und Berta so etwas
wie das Salz in der Suppe. Wo-
bei wir mit Salz und Suppe der
Sache eh schon ziemlich nahe
kommen. Weil Berta Hochradl
und Christa Traintinger sorgen
in der Pause dafür, dass alle
Besucher möglichst schnell ih-
re Würstel, den Wurstsalat oder
ihre Torte bekommen. Was
jetzt an und für sich ja nichts
Besonderes ist, wäre da nicht
das Alter der beiden Damen:
Berta Hochradl ist 90 Jahre
und Christa Traintinger ist 82
Jahre alt.
Christa Traintinger war viele
Jahre die Wirtin von Holzhau-
sen. Dieses Geschäft hat sie
längst an ihren Sohn überge-
ben. Die Betreuung der Thea-
tergäste lässt sie sich aber nicht
nehmen. Sie ist Herrscherin
über den Würsteltopf und hat
den großen Weidling mit dem
Wurstsalat fest im Griff. Da-
zu hat sie den Überblick über
das Tortenangebot. Nur wenn´s
ums Bierzapfen geht, da muss
der Wirt persönlich her, „weil
um alles kann ich mich ja auch
nicht kümmern.“
Noch bevor im Theaterraum
die Pause eingeläutet wird,
bringen die beiden Damen ihre
Verkaufsbudel aufVordermann.
Die Münzen werden genau sor-
tiert in verschiedene Aschen-
becher gelegt, die Servietten
werden aufgeblättert, die Sem-
meln griffbereit in die Körberl
geschlichtet, der Löffel in den
Senftopf gesteckt und die Tem-
peratur des Würstelwassers
noch einmal kontrolliert.
Besonders lang dauert der
Auftritt von Berta und Christa
nicht. Weil die beiden alles im
Griff haben. Da könnte sich so
manche junge Kellnerin eine
Scheibe abschneiden. Schon
nach wenigen Minuten sind al-
le 120 Theaterbesucher mit Es-
sen versorgt. Und es gibt kaum
jemanden, der sich im Theater
in Holzhausen nicht ein Paar
Frankfurter oder einen sauren
Wurstsalat kauft.
Holzhausen. Das ist dort,
wo sich Fuchs und Hase gute
Nacht sagen, wo der Flachgau
fließend ins Innviertel übergeht
und wo es das einzige richtige
Theatergebäude im Flachgau
gibt. Mit Klappstühlen und
Balkon und mit einem ganz-
jährigen Programm. Freilich,
jeden Tag wird nicht gespielt,
aber mindestens vier Produk-
tionen gibt´s jedes Jahr. Das
macht gut 40 Vorstellungen im
Jahr und ist nicht nur viel Stress
für die Schauspieler, sondern
auch eine große Herausforde-
rung für die beiden Damen am
Buffet. „Aber gerade das hält
uns jung“, lacht Berta Hoch-
radl verschmitzt und erwähnt
so ganz nebenbei, dass Matt-
hias Hochradl ihr Sohn ist. Der
ist seit vielen Jahren der Chef
und unermüdlicher Motor der
ganzen Truppe. Seine Mutter
war ihm dabei stets eine hilf-
reiche Hand und hat schon bei
der Organisation geholfen, hat
sich um Kostüme gekümmert
und auch Karten verkauft und
abgerissen.
Auch Christa Traintinger ist
seit jeher eng mit dem Theater
verbunden. Nicht nur als Wir-
tin. Von 1947 bis 1953 ist sie
selbst auf der Bühne gestanden.
„Damals habe ich einige Male
auch die junge Geliebte ge-
spielt“, kichert sie schelmisch
beim Gedanken an diese Zei-
ten und stellt spitzbübisch fest:
„Ich glaube das würde jetzt
nicht mehr funktionieren“.
Braucht es auch nicht, weil
die Rolle ihres Lebens hat sie
längst gefunden und als unein-
geschränkte Herrin des Pausen-
buffets bekommt sie von allen
tosenden Applaus. Und das in
jeder Pause.
Rupert Lenzenweger
Die Pause als großer Auftritt
für zwei ältere Damen
Christa Traintinger und Ber-
ta Hochradl kümmern sich seit
mehr als 40 Jahren in jeder
Pause um das leibliche Wohl
der Theaterbesucher.
Bild: Rule